… ein grausames Spiel über eine Welt,
in der jeder des anderen Wolf ist, in der jeder um den Gewinn tötet.
Peter Weiss
Die Komposition
Vor einigen Jahren stieß ich auf das Drama »Nacht mit Gästen« von Peter Weiss. Es ist eine in Knittelversen verfasste Moritat, die die alte Form der Schaubude wieder auferstehen lässt und Elemente des Kasperltheaters übernimmt. Hinter der Fassade des scheinbar Lustigen verbirgt sich das Grauen einer mörderischen Welt, in der jeder gegen jeden kämpft und jeder jeden hintergeht. Das 1963 uraufgeführte Stück lese ich als Parabel für die Verrohung der Gesellschaft.
Die Musiksprache orientiert sich an der Gattung der Moritat und des Kasperletheaters. Mit wenigen Ausnahmen, wo gesungen wird, sprechen die handelnden Figuren rhythmisiert. Sie werden in ihrer jeweils eindimensionalen, holzschnittartigen Gestalt möglichst plastisch wiedergegeben. Nichts wird musikalisch »psychologisiert«.
Auch auf der strukturellen Ebene entspricht die Komposition dem Text: Mixturen von übermäßigen Dreiklängen und Quart-Tritonus-Akkorden sind in der Partitur so omnipräsent wie bei Peter Weiss die Reime. Sie bewirken eine ähnliche Vereinfachung trotz der kontrapunktischen und rhythmischen Komplexität des Ganzen.
Da die mörderische Welt der Erwachsenen aus der Perspektive der Kinder erzählt wird, kommt sowohl die Technik des Kanons zum Tragen – einer bei Kindern beliebten Form des Singens – als auch die Verarbeitung und Verfremdung eingängiger Melodien, Kinderlieder und sonstiger musikalische Zitate.
Stefan Litwin
Die Uraufführung
Stefan Litwin
NACHT MIT GÄSTEN
Musiktheater für 6 Darsteller
und 8 Instrumente (2016)
nach dem gleichnamigen Theaterstück von Peter Weiss
UA 21. 10. 2016 Hochschule für Musik Saar
Eine Produktion der Hochschule für Musik Saar mit Unterstützung der Freunde und Förderer der HfM Saar (FuF) und des Ministeriums für Bildung und Kultur des Saarlandes
Photo: Tobias Heitz
Besetzung der Uraufführung
Musikalische Leitung: Stefan Litwin • Inszenierung: Frank Wörner • Bühnen- und Kostümbild: Annette Wolf • Dramaturgie: Eva Behr
Gast: Johannes Kruse • Mutter: Lisa Stroeckens • Vater: Antonio di Martino • Kinder: Lisa Bebelaar, Natalie Jurk • Warner: Patrick Bullinger
Violine, Bratsche: Lorenz Blaumer, Kiril Tsanevski • Piccolo, Flöte, Bassflöte: Sonja Dörner, Marie Puzzioli • Es-, B- und Bassklarinette: Antonia Uerschels, Frederik Versik • Kontrabass: Gabriele Basilico, Stephan Goldbach • Schlagzeug: Patrick Kraus, Fabian Scheid, Wolfram Stifel • Gitarre, Banjo: Ender Rangel, Juan Pablo Gonzalez Tobon • Klavier: Bokyon Chang, I-fang Shih, Ji-Hye Yang
Musikalische Assistenz: Felix Schauren • Bühnenbild- und Kostümbild-Assistenz: Kathrin Engel • Projektbüro: Julia Hartnik • Regieassistenz: Amanda Aatz, Lara Rüter
Die Produktion
Es war uns allen klar, dass ein Stück mit solch einer Aktualität auch junge Leute erreichen soll. Deshalb hat unser Team in enger Zusammenarbeit mit der Hochschulleitung und großzügiger Unterstützung der Vereinigung der Freunde Förderer der HfM, die mir einen Kompositionsauftrag erteilt hat, ein Konzept entwickelt, das uns erlaubt, das Musiktheater ohne größeren Aufwand auch an anderen Spielstätten aufzuführen.